600 Flusskilometer führten uns durch den Nordosten Sibiriens. Kamtschatka ist eines der Länder mit der größten Bärenpopulation dieser Welt. Seine Natur ist rau und ursprünglich und unser Weg führte uns durch eine einzigartige aktive Vulkanlandschaft. In dieser Wildniss haben wir wochenlang außer einigen Jägern und Fischern keinen Menschen zu Gesicht bekommen.
Ich sitze alleine in meinem Hotelzimmer und genehmige mir mein wohlverdientes Abendessen, welches aus geräuchertem Silberlachs, Kaviar auf frischem Brot und “sto Gramm“ Vodka besteht, das ganze zubereitet mit einem Schweizermesser auf Pappkarton. Mein Blick schweift über die Awatscha Bucht, welche eine der größten natürlichen Häfen der Welt ist. Am blauen und dunstigen Horizont ragt die Spitze des Viluschinski, eines 3000 m hohen Stratovulkanes auf, der so ziemlich das schönste ist was die Garnisons Stadt zu bieten hat.
Nach nun mehr zehn Wochen ohne einen freien Tag bin ich wieder in der „Gastiniza Geysir“ in Petropavlovsk, der Hauptstadt von Kamtschatka angekommen und kann erst einmal Luft holen. Die bröckelnde und baufällige Fassade des Plattenbaus aus den siebziger Jahren ist dass Erste was ich von der Stadt zu sehen bekomme. Nach mehr als 50 Nächten im Zelt will es mir in dieser Nacht nicht so recht gelingen in den Schlaf zu finden. Das Bett ist zu weich und vor allem durchgelegen, Luft bekomme ich in dem stickigem Raum auch nicht, so dass ich mich gegen drei Uhr morgens dann doch mit meiner Isomatte auf den Boden lege. Am nächsten Morgen, es ist zehn Uhr, betrete ich die Rezeption. Dort sitzen zwei schwere Russen vor mehreren leeren Flaschen Vodka. Ich bin mir nicht ganz sicher ob sie dort seit der letzten Nacht sitzen oder gerade erst anfangen haben. Bei solchen Eindrücken wird schnell klar, dass man am östlichsten Ende des ehemaligen Sowjet Reiches angekommen ist.
Mittlerweile ist es Herbst geworden und in den Bergen ist schon wieder zum ersten Mal Schnee gefallen. Die Sommer auf Kamtschatka sind kurz, so dass ich in den drei Monaten die ich hier auf der Halbinsel verbringe auch drei Jahreszeiten miterleben kann. Während Anfang Juli unser LKW noch im Schnee des vergangen Winters stecken geblieben ist, war es im August der Schlamm der vielen Regenfälle. Ich bin gespannt auf den Rest des Septembers, der mir bis jetzt am besten gefällt. Die Tundra fängt langsam an sich in ein Meer aus Gelb und Rot zu verwandeln. Unser Speiseplan wird ergänzt durch die vielen reifen Beeren und eine große Anzahl verschiedenster Pilze. Während wir auf unseren Rafting Trips auf der Bystraia im Juli noch den Rotlachs geangelt haben und im August dann unsere Blinker nach dem prächtigen Silberlachs auswarfen hoffe ich jetzt Ende September noch den Aufzug der sogenannten Steelheads mitzuerleben.
Der Regen prasselt an die Scheibe meines Hotelzimmers, in dem sich neben meinem Faltboot die Pappkartons mit dem Proviant der nächsten drei Wochen stapeln. Ich habe noch nicht genug und werde mich in den nächsten Wochen noch einmal in den nördlichen Teil Kamtschatkas aufmachen um den Rentiernomaden, den Ewenen, zu Pferd einen Besuch abzustatten. Nächstes Jahr im September werden wir den Kamtschatka Fluss mit dem Kajak befahren, auf der Suche nach den letzen wahren Wildnissen Kamtschatkas. Ich freue mich auf eine Zeit in Gebieten in die kein Auto vordringt und vor allem auf ein paar Tage in der Natur abseits jedweder Touristenpfade.
Mit freundlichen Grüßen aus Fernost
Euer Lars